"Blackout"
von Marc Elsberg
Verlag: Blanvalet
Seiten: 800
ISBN: 978-3764504458
Preis: 19,99 € (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 19. März 2012
In einem Satz:
Ein Gedankenspiel mit sehr viel Informationsgehalt, aber auch mit einer zu einseitigen Sicht und zu blassen Charakteren.
Inhalt:
Es ist tiefster Winter und in ganz Europa gehen die Lichter aus. Ein Stromausfall bringt alles zum Erliegen, was Elektrizität benötigt und das nicht nur für wenige Stunden, sondern für unbestimmte Zeit. Während die Chefetagen fieberhaft an dem Problem arbeiten und den Luxus des Notstroms genießen, brechen bei den normalen Bürgern Panik und Chaos aus. Es muss schnell gehandelt werden, man muss die Ursache finden und sie beheben, denn Millionen von Menschenleben stehen auf dem Spiel.
Meine Meinung:
Wie viele andere Endzeit- oder Katastrophenromane ist auch "Blackout" ein Gedankenspiel, ein "Was wäre, wenn ...?". Die Frage, um die sich hier alles dreht, ist "Was wäre, wenn wir keinen Strom mehr hätten?" und die Antwort des Autors kommt mehr als ausführlich. Marc Elsberg hat sich sehr intensiv mit dem Thema Elektrizität beschäftigt und das schwitzt er auf den ersten 400 Seiten auch gründlich aus. Kapitel für Kapitel bekommt der Leser erklärt, wo unser Strom herkommt, wohin er geht, wie er produziert wird, was passiert, wenn ein Kraftwerk ausfällt, was passiert, wenn mehrere ausfallen, was man macht, wenn die rote Lampe leuchtet, was alles mit Strom funktioniert, was nicht mit Strom funktioniert, wer für welche Abläufe verantwortlich ist ...
Na, den Abschnitt komplett gelesen oder einfach zum nächsten Absatz gesprungen? Ich kann's verstehen, denn so ging es mir die meiste Zeit des Buches. Es wird einfach zu viel und zu ausführlich geschildert. Dann teilweise noch doppelt und dreifach, denn es gibt natürlich mehr als nur ein Kraftwerk und da kann man ja auch mehrere beleuchten. *augenroll* Kurz gesagt: es ist super recherchiert und bis zu einem gewissen Punkt auch interessant und wichtig, aber irgendwann wird es einfach zu viel und ich hätte lieber mehr Geschichte gehabt.
Aber was war eigentlich die Geschichte? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn es gab unzählige Handlungsstränge und Personen, die ich irgendwann zwar noch überblickte, aber zu denen ich einfach keinen Bezug hatte. Einzig Manzano, ein italienischer Hacker, der mit Hilfe der amerikanischen Reporterin Shannon der Ursache des Stromausfalls auf der Spur ist, war einigermaßen eine Identifikationsfigur. Aber so richtig mitgefiebert habe ich selbst mit ihm nicht. Allgemein blieben in meiner Vorstellung alle Personen furchtbar gesichts- und teilweise sogar geschlechtslos, was unter anderem aus der Tatsache resultiert, dass alle Personen nur mit Nachnamen benannt werden. Unpersönlicher geht es kaum. Zum Glück hat wenigstens die Reporterin Lauren (?) Shannon einen weiblichen Nachnamen.
Die Kapitel sind extrem kurz (oft nur eine Seite) und immer mit dem Handlungsort betitelt. Zum einen ist das praktisch, da es immer wieder quer durch Europa geht, zum anderen ist es aber auch verwirrend, da die handelnden Personen in den unterschiedlichen Orten sind und man einen Ort mit immer wechselnden Personen verbinden muss. Irgendwann weiß man gar nicht mehr, wann und wo man mit wem ist und was nun eigentlich nochmal das Thema an dieser Stelle war, denn es werden zig Handlungsstränge parallel geführt - mal wichtige, mal unwichtige.
Trotz der vielen verschiedenen Handlungen schafft es der Autor aber nicht, Varianz in seinen Personenkreis zu bringen. Alle sind auf die eine oder andere Weise privilegiert und zumindest zeitweise mit Notstrom versorgt, haben Essen, Dusche, Internet ... was auch immer. Davon, dass die Bevölkerung leidet, liest man immer nur in Presseberichten. Ja richtig, Pressemeldungen sind zwischendurch auch abgedruckt, über Dinge, die gerade erst persönlich diskutiert wurden. Endgütig veräppelt fühlte ich mich dann aber auf Seite 500+, als drei oder vier Seiten lang ein neuer Charakter eingeführt wird, mit halber Lebensgeschichte und allem Drum und Dran, nur damit er seinen Tankwagen gegen einen Baum fährt und explodiert. Sinn der Sache war wohl nur, dass der Tanker sein Ziel nicht erreichte. Danke, der eine Satz hätte auch gereicht!
Zudem nervte mich, dass der Autor wirklich null vertrauen in die Menschheit hat und jeden Einzelnen wohl für strohdoof hält. Viele der beschriebenen Situationen mögen vielleicht nach einem Jahr eintreten, aber bereits nach Tag 10 war Armageddon. Zwischenmenschliche Hilfsbereitschaft gab es ab der ersten Stunde schon nicht mehr. Fragte jemand danach, wurde entweder die Hand aufgehalten oder es kamen Schusswaffen zum Einsatz. Gefängnisse wurden in Turnhallen verlegt (Schwerverbrecher mit Kleinkriminellen zusammen) und Zootiere wie zum Beispiel Elefanten bis auf die Knochen verspeist. Im Ernst, an Tag 12 oder so lag ein Elefantenskelett auf der Straße!
Ich habe nichts gegen viel Vorstellungskraft, aber ein Autor, der in der ersten Buchhälfte sein möglichstes tut, um so glaubhaft, wie möglich zu wirken, der solle doch bitte auch in der zweiten Hälfte realistisch bleiben und die Welt nicht in vierzehn Tagen komplett untergehen lassen "nur" weil der Strom fehlt!
Um dem Ganzen noch etwas Positives mit auf den Weg zu geben, muss ich sagen, dass das Buch auf jeden Fall zum Nachdenken anregt. Ich wurde auf viele Dinge aufmerksam gemacht, die ich sonst nichtmal in Betracht gezogen hätte und es ist erschreckend, wie abhängig wir doch vom Strom sind. Allein dieses Gedankenspiel und die allumfassende Erläuterung dieses Themas machen das Buch interessant, aber leider auch nicht mehr. Der Autor hätte eher die Sachbuchschiene fahren sollen, dann wären die Schwächen in Charakterentwicklung und Dramaturgie nicht so aufgefallen und ich hätte dem Buch eine bessere Bewertung geben können. So habe ich mich durch manche Abschnitte eher hindurchgearbeitet, als dass ich wirklich gespannt gelesen hätte.
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