"Geheime Tochter"
von Shilpi Somaya Gowda
Verlag: KiWi
Seiten: 431
ISBN: 978-3462044454
Preis: 9,99 € (Taschenbuch)
Erscheinungsdatum: 16. August 2012
In einem Satz:
Eine Suche nach den eigenen Wurzeln und einer Antwort auf die Frage, was Familie ausmacht.
Inhalt:
In Indien ist eine Tochter ungewollt, denn gut für die Familie ist nur ein Sohn. So sieht sich Kavita gezwungen, ihre neugeborene Tochter in ein Waisenhaus zu geben. Am anderen Ende der Welt, in Amerika, wäre die Amerikanerin Somer glücklich, wenn sie überhaupt Kinder bekommen könnte und beschließt mit ihrem indischen Ehemann, ein Kind zu adoptieren. So werden zwei Wege zusammengeführt, doch wie fühlt sich eine Tochter, die ihrer Welt entrissen wurde, die ihre Wurzeln nicht kennt?
Meine Meinung:
"Geheime Tochter" beginnt bereits auf den ersten Seiten sehr mitreißend, denn man erlebt den indischen Umgang mit einer neugeborenen Tochter aus nächster Nähe mit. Man erfährt, wie ungewollt ein Mädchen dort ist, so ungewollt, dass man es oft abtreibt, nach der Geburt tötet oder weggibt. Von Anfang an steckt man mittendrin in der indischen Lebensweise, wird aber bald durch einen Szenenwechsel an das andere Ende der Welt geschubst, um zu sehen, wie die Amerikanerin Somer mit ihrem indischen Ehemann Krishnan verzweifelt versucht, ein Kind zu bekommen. Nach jedem Kapitel dreht sich die Kugel wieder und man ist erneut in einer anderen Welt. Auf diese Weise werden die Leben der beiden Frauen perfekt gegenübergestellt und man hätte die Unterschiede nicht deutlicher machen können.
Es ist von Anfang an klar, dass es darauf hinauslaufen wird, dass Somer Kavitas Tochter adoptiert und ich war so gespannt darauf, wie sich die Geschichte weiterentwickeln wird, dass ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen konnte. Man erlebt mit, wie Asha, das adoptierte indische Mädchen, in Amerika aufwächst und später ihre Wurzeln sucht. Man erfährt aber auch, wie es mit Kavita weitergeht, mit ihrem Mann, mit Somer und mit Krishnan. Und genau da kommt leider auch der Knackpunkt, der die Geschichte etwas zerfallen lässt: Zu viele Sichtweisen zerstören irgendwann die Atmosphäre des Buches. Ich fand es perfekt gewählt, immer zwischen Somer und Kavita hin und her zu springen und als der Blick dann auf die erwachsene Asha wechselte und die Geschichte aus ihrer Sicht weitererzählt wurde, fand ich das auch noch gut. Allerdings erfährt man ab da auch weiterhin Episoden aus Kavitas Sicht und aus Somers und hintendran kamen nun auch noch Krishnan und Jasu, Kavitas Ehemann, dazu. Das war einfach zu viel des Guten und ich hatte das Gefühl, das die Autorin einfach nicht loslassen konnte und unbedingt jede Geschichte bis ins Detail zu Ende erzählen musste.
Dennoch war das Ende dann wieder sehr schön erzählt, teilweise auch gerade wegen dieser vielen Sichtweise, sodass ich dem Ganzen etwas gespalten gegenüberstehe. Es ist auch kein Missgriff in dem Sinne, sondern halt einfach ein wenig zu viel des Guten. Durch den langen Zeitraum, der erzählt wird, blieben mir aber manchmal auch Situationen zu offen und einzelne Handlungsweisen der Personen konnte ich nicht nachvollziehen. Besonders Somers Denkweise war mir teilweise schleierhaft und sie war mir einfach zu gefühlskalt.
Viel besser fand ich dafür die Beschreibung Indiens, der Kultur und der Lebensweise dort. Nicht zu negativ beleuchtet, aber auch nicht hochgelobt. Viele Missstände wurden aufgezeigt, aber manchmal auch erklärt. Man erfährt, wie Kavitas bäuerliches Leben aussieht, es wird aber auch die Lebensweise von Krishnans höher gestellter Familie gezeigt. Viele Gegensätze, aber auch Gemeinsamkeiten zeigen sich dabei auf und durch die häufige Verwendung indischer Begriffe ist man schnell mittendrin in der Kultur und ich hatte kein Problem damit, mir die Frauen im Sari in der Hitze Indiens vorzustellen.
Insgesamt ist der Autorin ein guter Blick auf die indische Kultur (bzw. auf das, was sie davon zeigen wollte) gelungen, aber auch darauf, was Familie wirklich bedeutet. Gerade gegen Ende gibt sie dem Leser auch noch einige kleine Weisheiten mit auf dem Weg, die jeder für sich beherzigen kann.
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