Montag, 6. Mai 2013

J. R. Moehringer - "Knapp am Herz vorbei"


























Willie Sutton war einer der berühmtesten Bankräuber der 30er Jahre. Geschickt wie kaum ein anderer erleichterte er ein Kreditinstitut nach dem anderen, verletzte dabei aber nicht einen einzigen Menschen. Das brachte ihn zum einen die Bewunderung der Menschen bis heute ein, zum anderen landete er dafür aber auch mehrfach im Gefängnis, aus dem er immer wieder ausbrach. Seine finale Entlassung wurde Weihnachten 1969 von Rockefeller persönlich genehmigt und ein Journalist hat die Ehre, ihn durch ganz New York an die Schauplätze seines Lebens zu begleiten und rückblickend seine Geschichte zu erfahren.







Als ich meinen ersten Blick auf Cover und Titel dieses Buches warf, das mir der Zufall in die Hand spielte, war ich eigentlich der festen Überzeugung, eine tragische Liebesgeschichte in den Händen zu halten. "Knapp am Herz vorbei" - das klingt nach viel Herzschmerz, schmalz und irgendwie nach Rosamunde Pilcher. Erst der Klappentext belehrte mich eines besseren und das Buch am Ende sowieso. Es ist keine Liebesschnulze, sondern eine Lebensgeschichte (fast) ohne Herzschmerz und ich bin wirklich froh, dass ich dieses Buch gelesen habe.

Anfangs war ich etwas irritiert von der Schreibweise des Autors. Er schreibt absolut toll und bildhaft, aber wenn ich eines nicht leiden kann, dann ist es das Weglassen von Anführungszeichen bei wörtlicher Rede. Das macht mich wahnsinnig! Da der Autor in diesem Buch nicht nur zwischen Handlungsorten, sondern auch extrem in der Zeit springt, hat mich das am Anfang sehr gestört.Mit der Zeit fand ich mich rein, aber mit diesen lieben kleinen Strichen hätte ich mich doch noch ein wenig besser auf die Geschichte statt auf den genauen Gesprächsablauf konzentrieren können.

Soviel aber nur zu den Formalien. Inhaltlich habe ich eigentlich gar nichts zu meckern. Im Gegenteil: Der Autor macht gleich zu Beginn des Buches klar, dass es sich nicht wirklich um eine Biografie handelt und er vieles auch Willie Suttons Leben gar nicht wissen kann. An einigen Stellen kam daher die Fantasie des Autors ins Spiel, was ich aber nicht schlimm fand. Ich nehme aber an, dass der Großteil des Inhalts schon stimmen dürfte und so nahm mich das Buch mit auf eine Reise in die Gangsterwelt der 20er und 30er Jahre und erzählte mir, wie Willie zu dem wurde, was er war.
Viele Abgründe tun sich im Laufe der Geschichte auf, und auch wenn man zeitweise das Gefühl hat, dass Willie einfach nur das Opfer seiner Lebensumstände war und man zeitweise voll und ganz auf seiner Seite steht, schafft es der Autor doch ziemlich gut, auch noch ein bißchen Gewicht in die andere Waagschale zu werfen und man beginnt dann wieder an Willie zu zweifeln. 

Insgesamt fühlte ich mich auf jeden Fall sehr gut unterhalten und werde den Autor sicher für den nächsten Einkaufsbummel im Hinterkopf behalten. Meine Gangster-Kenntnisse sind jetzt um einen Bankräuber reicher und dieses Buch hat mir seit langem wieder Lust auf Biografien gemacht.



Verlag: Fischer
Seiten: 448
ISBN: 978-3100496034
Preis: 19,99 € (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 18. Februar 2013