Donnerstag, 8. März 2012

Susan Kreller - "Elefanten sieht man nicht"

Elefanten sieht man nicht
von Susan Kreller

Verlag: Carlsen
Seiten: 208
ISBN: 3551582467
Preis: 14,90 € (Hardcover)
Erscheinungsdatum: 17. Februar 2012











In einem Satz:
Eine Geschichte, die einen mitzieht, bewegt, wachrüttelt und am Ende kopfschüttelnd zurück lässt.

Inhalt:
Die 13-jährige Mascha verbringt die Sommerferien wie jedes Jahr bei ihren Großeltern in dem spießigen, kleinen Ort Barenburg. Sie verbringt die meiste Zeit allein, bis sie eines Tages die neunjährige Julia und ihren sieben Jahre alten Bruder Max kennenlernt. Beide sprechen nicht viel und eines Tages bemerkt Mascha, dass sie von Wunden und blauen Flecken übersät sind. Als sie dann noch beobachtet, wie der Vater die beiden schlägt, versucht sie andere darauf aufmerksam zu machen, doch keiner der Erwachsene scheint zum Helfen bereit zu sein. Stets hört sie die gleiche Antwort: "So etwas gibt es bei uns im Dorf nicht". Also beschließt Mascha, selbst zu handeln ...

Meine Meinung:
"Elefanten sieht man nicht" spricht ein Thema an, das uns alle etwas angeht, aber das doch viel zu oft unter den Teppich gekehrt wird: Kindesmisshandlung. Der kleine Ort Barenburg steht in seiner Spießigkeit für beliebig viele andere Orte, seien sie nun klein oder groß. Jeder wird aufs Gründlichste begutachtet, also versucht auch jeder Einzelne, vor den Nachbarn so gut wie möglich dazustehen. Was hinter den Wänden eines Hauses geschieht, wird dabei bewusst und unbewusst ausgeblendet. Man nimmt nicht wahr, was genau vor der eigenen Haustür passiert - man sieht den Elefanten nicht.

Die Misshandlungen, die Max und Julia über sich ergehen lassen müssen, werden nicht direkt beschrieben, dafür aber die Auswirkungen. Das Verhalten der Kinder, das hier von Susan Kreller äußerst einfühlsam, aber auch direkt beschrieben wird, zeigt unmittelbar, wie man ein Kind regelrecht zerstören kann. Es zeigt aber auch, wie Kinder dennoch versuchen, an einer heilen Welt festzuhalten und ihre Eltern auch dann noch verteidigen, wenn von ihnen großes Leid ausgeht.

Maschas Handeln zeigt andererseits, wie wenige Menschen zum Helfen bereit sind, wenn ihr eigener Ruf auf dem Spiel steht. Keiner aus dem Dorf will den Kindern helfen, alle verschließen nur die Augen vor dem Offensichtlichen und wollen nicht wahr haben, dass dies alles wirklich genau in ihrer Nachbarschaft geschieht. Es ist schockierend, aber genau so sieht es im wahren Leben auch immer wieder aus. Und ich denke genau das ist es auch, was den Roman so nahe gehen lässt. Was Mascha am Ende tut, ist nicht wirklich nachvollziehbar und sie verhält sich dabei auch eher wie zehn, statt dreizehn, aber dennoch rüttelt ihr Handeln wach und bringt einen selbst zum Nachdenken darüber, was man sonst hätte tun können.

Neben der Geschichte an sich ist aber auch der Schreibstil der Autorin bemerkenswert. Ohne lange um den heißen Brei herumzureden, beschreibt sie die Situationen direkt und treffend und macht sich dabei Bilder zunutze, die jeder versteht und kennt. So bekommt man als Leser ziemlich schnell einen persönlichen Zugang zu den Figuren und zur Geschichte und kann sich dem Ganzen gar nicht mehr entziehen. Gerade der Schreibstil macht dieses Buch aber auch für Erwachsene sehr interessant, denn er geht über das allgemeine, doch manchmal recht seichte Erzählen in vielen anderen Jugendbüchern weit hinaus. Man hat hier nicht nur einfach irgendein Jugendbuch vor sich liegen, sondern wahre Literatur.

Für mich ist "Elefanten sieht man nicht" ein ergreifender und auch zum Teil schockierender Roman, da er einen zwangsläufig mit der Nase auf Sachen stößt, über die man sonst eigentlich lieber gar nicht erst nachdenken mag. Das Ende blieb mir persönlich zwar etwas zu offen, aber da der Rest wirklich extrem gut ist, gibt es trotzdem die volle Punktzahl.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen